Verfasst von Elli; zuletzt aktualisiert am 20. April 2024
Ich hatte in den letzten Wochen ein Problem, das sich aus folgenden Fakten ergab:
- Ich liebe Eisbaden als natürliche Kältetherapie.
- Es ist gerade nicht besonders kalt – weder draußen noch im Wasser.
Also, versteht mich nicht falsch. In Flüssen und Seen zu schwimmen ist immer noch wunderbar. Aber jetzt, im Sommer, habe ich danach kein stundenlanges High mehr; nichts, was mich erst schockieren und danach nachhaltig verwandeln würde.
Und jetzt fehlt mir etwas. Mir fehlt der krasse Temperaturabfall, und wie euphorisch und zugleich ruhig ich mich danach fühle. Deswegen habe ich nach einer Alternative für den Sommer gesucht – und gefunden: eine Kältekammer.
Inhaltsverzeichnis
- Das Wichtigste zuerst: Was hatte die Kältekammer für einen Effekt auf mich?
- Hintergrund – warum Kälte- und Wärmetherapien gegen Depressionen helfen können
- Erfahrungsbericht: Wie mein Aufenthalt in der Kältekammer ablief
- Bleibt die Frage: Kann der Besuch einer Kältekammer im Sommer einen Ersatz Eisbaden darstellen?
- Was sagt die Forschung zu den Effekten und Anwendungsgebieten der Kältekammer / Kryotherapie?
- Wer besser keine Kältekammern nutzen sollte
Darf ich präsentieren: Hier seht ihr mich in einer Kältekammer bei Minus hundert Grad.
Das Wichtigste zuerst: Was hatte die Kältekammer für einen Effekt auf mich?
Ganz ehrlich: Der Effekt, den ich nach der Kältekammer gespürt habe, war grandios. Ich war ein paar Stunden lang heiter, entspannt, energetisch und friedlich gestimmt.
Aber währenddessen war es… also, stellt es euch einfach so vor, als würdet ihr im Hochsommer mit kurzen Klamotten sehr lange vor einem Joghurtregal stehen.
Das war so mein Haupteindruck. Es war vielleicht ein bisschen nüchtern, und keinesfalls so überwältigend schön wie beim Eisbaden.
Merkwürdigerweise schien mir die Kältekammer nicht einmal so kalt wie das Wasser beim Eisbaden. Aber dazu später mehr.
Hintergrund – warum Kälte- und Wärmetherapien gegen Depressionen helfen können
Disclaimer: Ich selbst habe keine medizinische Ausbildung, und empfehle dir, bei Beschwerden medizinisches Fachpersonal zu konsultieren. Ich recherchiere sehr genau, aber die hier bereitgestellten Informationen stellen keine Handlungsanweisung dar und dienen auch nicht der Selbstdiagnose, sondern der weiterführenden Diskussions meines Blogbeitrags-Themas.
Bei vielen Menschen mit Depressionen ist die Körperkerntemperatur erhöht. Das weiß man tatsächlich schon seit den 1890er (!) Jahren; und es wurde in den 1980er noch einmal intensiv diskutiert, weil man sich wirklich überlegt hat, das in die Diagnosestellung mit einfließen zu lassen – so deutlich war der Zusammenhang!
Wärmetherapien setzen jedenfalls an der erhöhten Körperkerntemperatur an – denn so paradox es klingen mag: Durch z.B. Infrarot-Wärmetherapie kann die Körperkerntemperatur nach einer kurzfristigen Erhöhung danach längerfristig gesenkt werden. (Falls du dich für Wärmetherapien interessierst, kannst du gerne hier weiterlesen: „Wärme und Depressionen: 3 spannende Zusammenhänge – und wie du Wärmetherapien für dich nutzen kannst.“
Ob die Körperkerntemperatur auch durch Kälteexposition längerfristig abgesenkt werden kann, ist hingegen noch nicht systematisch untersucht worden. Ich habe in meinem Beitrag zu Wärmetherapien aber den Winterschwimmer, Saunaexperten und Naturmediziner Dr. Rainer Brenke befragt – seine Antwort: Es wäre naheliegend, da man mittlerweile weiß, dass durch die Kälteexposition die Durchblutung verbessert wird und so mehr Wärme an die Umgebung abgegeben wird.
Unabhängig von einer möglichen Senkung der Körperkerntemperatur kann Kälteexposition aber noch weitere positive Effekte auf das Immunsystem, auf entzündliche Prozesse, Autoimmunkrankheiten und Depressionen sowie Angsstörungen haben. (Über diese positiven Effekte von Kälte beim Wild Swimming habe ich auch einen Beitrag geschrieben, den du hier findest.)
Antientzündliche Impulse (egal, welcher Art) zu setzen, ist bei Depressionen generell sinnvoll – immerhin weiß man mittlerweile, dass Depressionen und Entzündungen oft zusammenhängen.
Was ich an Kälteexposition (und auch: Saunagängen!) jedenfalls sehr schätze ist die unmittelbare Wirkung.
Dass man einmal aufhören kann zu denken, unglaublich entspannt ist – und dass danach von alleine positive Gedanken kommen, ohne dass man sich in irgendeiner Weise anstrengen müsste.
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Erfahrungsbericht: Wie mein Aufenthalt in der Kältekammer ablief
Vorbereitungen
Ich hatte fast alles dabei, was ich beim Eisbaden auch dabei- oder angehabt hätte: Bikini, Stirnband, Neoprensocken und -handschuhen (denn Hände und Füße schmerzen bei mir in Wasser unter 8 Grad sehr schnell, und mit Neoprensachen umgehe ich dieses Problem). Im Nachhinein würde ich sagen, dass ich Socken und Handschuhe wahrscheinlich nicht gebraucht hätte, aber es hat der Kälte-Wirkung auch keinen Abbruch getan. (Das Fitness-Studio, in dem die Kältekammer stand, hat auch noch Plastikschlappen gestellt, also wäre meinen Füßen sowieso nichts passiert.) Meine Brille durfte ich nicht mit reinnehmen, und auch keine Kontaktlinsen tragen.
Über mich
Ich bin Elli und habe selbst Erfahrungen mit Depressionen. Mir haben vor allem körperliche Ansätze sowie ganzheitliche Mind-Body-Verfahren geholfen – und genau darüber schreibe ich hier, immer mit Bezug auf aktuelle Forschung zum Thema. Denn Körper und Geist hängen eng zusammen. Mind to Body, Body to Mind! Hier erfährst du mehr über mich.
In der Kältekammer
Erst ging es für eine Minute in eine Vorkammer mit Minus 30 Grad, dann für drei Minuten in die Hauptkammer mit Minus 100 Grad. (Viele andere Kältekammern oder Kältesaunas gehen mit den Temperaturen übrigens teilweise bis minus 140 Grad herunter!) Ich habe den Temperaturunterschied zwar wahrgenommen, aber es war kein krasser Schock. Wie gesagt: Eher so wie ein sehr kaltes Joghurtregal, vor dem man herumdruckst (und keine der Aufschriften lesen kann, weil man ja… seine Brille abgegeben hat).
Nach dem Besuch der Kältekammer
Als ich wieder aus der Kältekammer kam, war ich zunächst ein bisschen enttäuscht. Ich hatte mir die Kryotherapie irgendwie krasser vorgestellt, und ich dachte vielleicht ein wenig, dass der Effekt nicht gut sein kann, wenn der Schock nicht groß genug ist. Und es war kein richtiger Schock. Nicht mal meine Haut war durchgängig kalt; ich hatte kein anhaltendes inneres Frösteln wie manchmal nach dem Eisbaden, sondern ich war innerhalb von einigen Minuten gefühlt wieder komplett aufgewärmt.
Wir stiegen ins Auto und ich wollte gerade anfangen, mich zu beschweren – da merkte ich doch einen Unterschied an mir. Hunger. Sehr viel Hunger. Und: eine vorsichtige Fröhlichkeit. Nach einer ausführlichen Mahlzeit rollte dann tatsächlich noch eine kleine Welle der Euphorie an – und blieb. SO SCHÖN! Ruhig und heiter und mein Leben erschien mir so sinnvoll wie schon lange nicht mehr.
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So beschreibt der Lübbe-Verlag den Roman: „Neun Grad hat das Wasser, als Josie zum ersten Mal in den Fluss geht, um ihrer schwerkranken Freundin Rena einen Wunsch zu erfüllen. Vielleicht betäubt der Kälteschmerz ja auch die Angst, sie zu verlieren. Doch was Josie dann erlebt, übersteigt alles, was sie sich erhofft hat. Beim Eisbaden spürt sie sich zum ersten Mal selbst, erlebt ihren Körper, mit dem sie immer gehadert hat, ganz neu. Und noch etwas ist neu: ihre Beziehung zu Lee, den sie über Tinder kennengelernt hat. Doch Lee kämpft mit seinen eigenen Dämonen, ist depressiv. Was bedeutet das für ihre Liebe – und was machen Grenzerfahrungen mit einem? Elli Kolb erzählt es in ihrem bewegenden Roman.“
Das Buch ist Empfehlungstitel beim Lübbe-Verlag & wenn du mich und meine Arbeit unterstützen möchtest, kannst du es auf dem autorenfreundlichen Onlineshop von autorenwelt bestellen. Hier findest du weitere Informationen zu „9 Grad“.
Bleibt die Frage: Kann der Besuch einer Kältekammer im Sommer einen Ersatz Eisbaden darstellen?
Hm. Das Wort „Ersatz“ trifft es ganz gut. Für mich wäre die Kältekammer tatsächlich immer die zweite Wahl, aber es ist natürlich schön, überhaupt eine zweite Wahl zu haben.
Eisbaden wirkt für mich einfach stärker. Erstens ist das Erlebnis für mich schöner, ich bin gefühlt (und vermutlich auch real) mehr heruntergekühlt und der Effekt hält ein wenig länger an. Außerdem verbindet es mich mit der Natur und ich kann mich während der Kälteexposition bewegen.
Hier noch einmal eine Übersicht über die Unterschiede zwischen Eisbaden und Kryotherapie in der Kältekammer, wie ich sie bislang erlebt habe:
Eisbaden habe ich oft als sehr meditativ empfunden und als intensive Naturerfahrung.
Die Kältekammer war eine eher nüchterne Erfahrung.
Beim Eisbaden kann einen die Kälte anfangs schon überrollen. Ich brauche, je nachdem, wie kalt das Wasser ist, bis zu einer Minute, bis ich mich daran gewöhnt habe.
In der Kältekammer hingegen hatte ich nicht das Gefühl eines Kälteschocks, der einem die Kälte durch Mark und Bein geht; eher, dass meine Haut heruntergekühlt wird.
Beim Eisbaden umschließt die Kälte einen völlig gleichmäßig und irgendwann überkommt man sie; man merkt die Kälte nicht mehr richtig, so wie man sich z.B. auch nicht ständig bewusst ist, dass man Klamotten anhat.
In der Kältekammer war das für mich anders, ich habe ständig leicht gefröstelt. (Auf der anderen Seite: vier Minuten leicht frösteln ist schon in Ordnung.)
Nach dem Eisbaden spüre ich oft noch Stunden danach die Kälte in den Gliedern (allerdings auf eine angenehme Art); und direkt danach dauert es auf jeden Fall, bis man sich wieder aufgewärmt hat.
Nach der Kältekammer war ich aber sofort wieder aufgewärmt, und habe keine innere oder äußere Kälte mehr wahrgenommen.
Was sagt die Forschung zu den Effekten und Anwendungsgebieten der Kältekammer / Kryotherapie?
Diese Studie aus dem Jahr 2020 konstatiert, dass Kryotherapie effektiv für eine Verbesserung der Stimmung bei Menschen mit Depressionen sorgen kann, und die Anwendung – bei den richtigen Voraussetzungen – sicher ist. Die Wissenschaftler*innen stellen allerdings auch fest, dass es weiteren Forschungsbedarf gibt, vor allem, was die zugrunde liegenden Mechanismen der Kältewirkung betrifft.
Bei rheumatischen Erkrankungen, aber auch bei Schmerzerkrankungen wie z.B. Fibromyalgie werden Kältekammern übrigens schon länger eingesetzt. Sie verringern oft das Schmerzlevel und mindern Entzündungen.
Meist wird die Kryotherapie sehr gut vertragen. Aber es gibt auch Ausnahmen.
Wer besser keine Kältekammern nutzen sollte
Wenn du unter folgenden Krankheiten / Problemen leidest, solltest du besser nicht in eine Kältekammer gehen:
- nach einem erst kürzlich überstandenen Herzinfarkt
- bei unbehandeltem Bluthochdruck
- bei schwerwiegenden Durchblutungsstörungen
- als Träger*in eines Herzschrittmachers
- bei akuten Lungen- und Herzerkrankungen
- bei akuten Infektionen (v.a. auch Infektionen der Nieren und Harnwege)
- bei instabiler Angina pectoris
- nach tiefen Venenthrombosen
- nach Alkoholgenuss oder Drogenkonsum
- bei großflächigen Hautinfektionen
- bei schweren Anämien
- bei schwerer Unterernährung / Mangelzuständen
- bei Anfallsleiden
- bei Erkrankungen mit erhöhter Kälteeimpfindlichkeit
- bei akuten Gefäßentzündungen
- bis zu einem halben Jahr nach Operationen
Besondere Vorsicht geboten ist auch bei:
- immunologischen Störungen der Finger- und Zehendurchblutung
- Angina Pectoris, Herzklappenfehlern und nach Herzoperationen
- neurologischen Erkrankungen oder Sensibilitätsstörungen, z.B. nach einem Schlaganfall
- Schilddrüsenunterfunktion
- ab dem 4. Monat einer Schwangerschaft
- Blutgefäßwandentzündungen (auch, wenn diese nicht akut sind)
- Klaustrophobie
- krankhaftem Schwitzen
Würdest du einmal in die Kältekammer gehen? Oder warst du schon da und magst deine Erfahrungen mit mir teilen? Schreib es mir gerne in die Kommentare!
PS. Falls du dich doch mehr für Eisbaden interessierst, könntest du hier weiterlesen: