Verfasst von Elli; zuletzt aktualisiert am 3. September 2024
Kälte wird gerade ziemlich gehypt – auch im Kontext mentaler Gesundheit. Aber können kalte Duschen und Eisbäder wirklich einen Einfluss auf die Psyche nehmen? Und ab welchen Temperaturen kannst du mit einer Wirkung rechnen? Ich habe für dich einmal einen Blick in die Forschung geworfen.
Inhaltsverzeichnis
- Kalt duschen, Eisbaden, Winterschwimmen & Psyche – das sagt die Forschung
- Nur Dopaminausschüttung oder doch mehr? Warum kalt duschen und Eisbaden Effekte auf die Psyche haben können
- Warum ist die Wirkung von kalten Bädern vermutlich stärker als bei kalten Duschen?
- Ab welchen Temperaturen schwimmt oder duscht man eigentlich „kalt“?
- Wie kalt ist das Wasser, das bei dir aus der Dusche kommt?
- Kalt duschen – wie kannst du dich dazu überwinden?
- Was ist wichtig, wenn du kalte Duschen für einen positiven Effekt auf deine Psyche nutzen möchtest?
- Kalt duschen & die Effekte auf die Psyche: Wie solide ist die Forschung?
- Quellen
Kalt duschen, Eisbaden, Winterschwimmen & Psyche – das sagt die Forschung
Ein Übersichtsartikel aus dem Jahr 2022 untersuchte 104 Studien, die sich mit der Wirkung von kaltem Wasser auf die Gesundheit befassten, und kam zum Ergebnis: Regelmäßiges Winterschwimmen, Eisbaden oder einfach nur das etwa brusttiefe Eintauchen in kaltes Wasser können sich positiv auf Stimmung und Antrieb auswirken, sowohl bei Menschen mit Depression als auch bei gesunden Personen.
Aber warum eigentlich?
Disclaimer: Alle Informationen, die du hier findest, sind mit großer Sorgfalt recherchiert, aber: Ich bin keine Ärztin, und alle Angaben in diesem Beitrag sind ohne Gewähr. Wenn du Beschwerden hast, empfehle ich dir, medizinisches Fachpersonal zu konsultieren – das ist die einzige Möglichkeit, um eine angemessene Behandlung zu erhalten. Die hier bereitgestellten Informationen stellen keine Handlungsanweisung dar, ersetzen keinen Arztbesuch und dienen auch nicht der Selbstdiagnose oder -behandlung, sondern der weiterführenden Diskussion meines Blogbeitrags-Themas bzw. spiegeln eigene Erfahrungen oder Meinungen meiner Interviewpartner wider.
Nur Dopaminausschüttung oder doch mehr? Warum kalt duschen und Eisbaden Effekte auf die Psyche haben können
Man nimmt an, dass der positive Effekt von kalten Duschen und Eisbädern auf die Psyche auf folgende Wirkmechanismen zurückzuführen ist:
- Bei Kontakt mit kaltem Wasser werden eine Reihe von Neurotransmittern verstärkt ausgeschüttet, darunter Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und β-Endorphin.
- Durch regelmäßige Aufenthalte in kaltem Wasser können manche chronische Entzündungen positiv beeinflusst werden. Entzündungen und Depressionen hängen übrigens oft zusammen.
- Die Reaktion des Körpers auf oxidativen Stress wird offenbar verbessert. Das ist auch deswegen interessant, weil oxidativer Stress und Depressionen zusammenhängen. Darüber habe ich einen eigenen Artikel geschrieben: „Oxidativer Stress und Depressionen: ein unterschätzter Zusammenhang?“
- Kältereize fördern die Durchblutung, und das könnte sich positiv auf die bei Depressionen oft leicht erhöhte Körperkerntemperatur auswirken (mehr zum Thema erhöhte Körperkerntemperatur bei Depressionen erfährst du in meinem Artikel „Wärmetherapien bei Depressionen“).
- Sich regelmäßig Kälte auszusetzen kann das Immunsystem stärken.
Die meisten Studien zum Thema kaltes Wasser & Psyche beziehen sich übrigens auf die sogenannte „cold water immersion“, also das bis zu brusttiefe Eintauchen in kaltes Wasser.
Kalt duschen dürfte einen ähnlichen, wenngleich nicht so ausgeprägten Effekt haben.
Warum ist die Wirkung von kalten Bädern vermutlich stärker als bei kalten Duschen?
Beim Eisbaden oder Winterschwimmen ist deine Haut gleichmäßig von kaltem Wasser bedeckt, der Gesamtkältereiz also größer.
Und: Das Wasser in deiner Dusche ist wahrscheinlich nicht so kalt wie beim Eisbaden.
Das ist tatsächlich etwas, das ich mich bei der Recherche für diesen Artikel gefragt habe. Wie kalt sind kalte Duschen wirklich? Und was gilt gemeinhin eigentlich als „kaltes“ Wasser?
Über mich
Ich bin Elli und habe selbst Erfahrungen mit Depressionen. Mir haben vor allem körperliche Ansätze sowie ganzheitliche Mind-Body-Verfahren geholfen – und genau darüber schreibe ich hier, immer mit Bezug auf aktuelle Forschung zum Thema. Denn Körper und Geist hängen eng zusammen. Mind to Body, Body to Mind! Hier erfährst du mehr über mich.
Diese Frage hat mich umso mehr interessiert, als man überall liest, dass kalt duschen so gesund sein soll – und eigentlich nirgendwo erwähnt wird, was mit „kalt“ genau gemeint ist. Reicht es, dass du beim Duschen leicht frierst, oder sollte das Wasser eine bestimmte Temperatur nicht überschreiten, wenn du einen gesundheitlichen Effekt davon haben möchtest?
Deswegen habe ich für dich mal nachrecherchiert: Ab welchen Temperaturen gilt Wasser eigentlich als „kalt“?
Ab welchen Temperaturen schwimmt oder duscht man eigentlich „kalt“?
Laut der „International Winter Swimming Association“ hat Eiswasser eine Temperatur von -2 bis +2 Grad, sehr kaltes Wasser eine Temperatur von +2.1 bis + 5 Grad und kaltes Wasser eine Temperatur von + 5.1 bis + 9 Grad.
Allerdings gehen die Temperaturangaben darüber, was „kaltes Wasser“ sein soll, insgesamt ziemlich auseinander. In einigen Forschungsartikel, die die Effekte von kaltem Wasser auf den Menschen untersuchen, lagen die Wassertemperaturen beispielsweise noch bei bis zu + 20 Grad.
Zum Vergleich: Die Wassertemperaturen in einem typischen deutschen Hallenbad liegen um die 26 Grad.
Wie kalt ist das Wasser, das bei dir aus der Dusche kommt?
Wie kalt dein Duschwasser ist, hängt von vielen Faktoren ab: in welcher Gegend und Region du wohnst, zu welcher Jahreszeit du duschst etc.
In Deutschland gilt allerdings die Regelung, dass kaltes Wasser aus der Leitung höchstens 25 Grad haben soll (allerdings wird das nicht immer eingehalten, wie der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfachs e.V. feststellte ).
Warum erzähle ich dir das alles?
Tja. Weil kalt eben nicht gleich kalt ist.
Das liegt eigentlich auf der Hand. Stelle dir vor, du schwimmst in einem zugefrorenen See oder duschst im Sommer mit einer Wassertemperatur von 20 Grad – das sind sehr unterschiedliche Erfahrungen, und ich fände es nicht verwunderlich, wenn sie nicht ganz den gleichen Effekt auf die Psyche (und: den Körper) hätten.
Das ist jetzt aber meine persönliche Meinung. Und es könnte auch sein, dass ich als Winterschwimmerin ein bisschen vorurteilsbehaftet bin. Denn bei mir selbst ist es auf jeden Fall so, dass ich beim Eisbaden einen unmittelbaren und starken Effekt auf meine psychische Verfasstheit merke, beim Duschen im Winter auf jeden Fall auch noch einen gewissen Effekt – und beim Duschen im Sommer passiert einfach gar nichts mehr. Außer, dass es sich kühl anfühlt.
Ich finde es nur wichtig, dass du das auf dem Schirm hast, dass „kalt“ nicht gleich „kalt“ sein muss.
Weil es eben sein kann, dass auch du bei kalten Duschen im Sommer zum Beispiel keine Wirkung auf deine Psyche spürst – aber im Winter schon. Weil das Wasser aus der Leitung im Winter einfach spürbar kälter ist. Und natürlich definieren auch viele Forschungsarbeiten kaltes Wasser deutlich kälter als 20 Grad. Ich würde sagen, probiere es einfach mal aus, was wie gut auf dich wirkt.
Trage dich in den understandingly-Newsletter ein
… und ich schicke dir kostenlos meine besten antidepressiven Mind-Body-Hacks zu!
Hier geht es zur Newsletter-Anmeldung.
Kalt duschen – wie kannst du dich dazu überwinden?
- Du kannst am Anfang nach deiner normalen Duschroutine einfach ein paar Sekunden kalt duschen einbauen. So fällt die Überwindung, überhaupt in die Dusche zu steigen, leichter.
- Steigere dich langsam und dusche immer länger kalt. Du wirst merken, dass du dich immer mehr daran gewöhnst.
- Es könnte auch hilfreich sein, wenn du Körperteile einzeln duschst, zum Beispiel Beine oder Arme. So schockst du immer nur einen kleinen Teil deines Körpers mit kaltem Wasser, und den dafür relativ gleichmäßig. Das finde ich persönlich auch leichter – obwohl ich, wie gesagt, Winterschwimmerin bin. Aber trotzdem finde ich es einfach immer noch unangenehm, wenn der Kältereiz ungleichmäßig ist, wie beim Duschen von oben. Gleichmäßige Kälte kann ich irgendwie besser verarbeiten.
Was ist wichtig, wenn du kalte Duschen für einen positiven Effekt auf deine Psyche nutzen möchtest?
Wichtig ist auf jeden Fall, einigermaßen regelmäßig kalt zu duschen – nur so kannst du auf Dauer gesundheitliche Effekte erzielen.
Tatsächlich könntest du aber auch schon beim ersten Mal kalt duschen oder kalt baden einen Effekt auf die Psyche verspüren: Studien konnten zeigen, dass der stimmungsaufhellende und energetisierende Effekt von kaltem Wasser oft schon direkt im Anschluss an die Kälteexposition stattfindet.
Mindestens ebenso wichtig: auf deinen Körper zu hören. Wenn du nach einer Zeit merkst, dass du einfach einen inneren Widerstand gegen kalte Duschen hast oder dich danach einfach nicht besser fühlst als davor, würde ich sagen: Probiere etwas anderes. Kalte Duschen sind auch nur ein Tool, es gibt noch viele andere.
Zum Beispiel könntest du – nach Absprache mit deinem Arzt – auch einmal eine Kältekammer / Kryosauna ausprobieren. Dort wird mit sehr kalter, trockener Luft (oft über minus 100 Grad) gearbeitet, was sich aber erstaunlicherweise nicht besonders kalt anfühlt. (Finde ich – ich habe so eine Kryosauna selbst auch mal getestet.)
Wenn dir Kälte insgesamt aber Unbehagen verursacht oder du kalte Duschen etc. aus gesundheitlichen Gründen nicht durchführen kannst, könntest du es mit dem vermeintlichen Gegenteil von kaltem Wasser versuchen: Wärmetherapie, z.B. Sauna. Auch dazu gibt es superinteressante Forschung in Bezug auf Depressionen, die du in meinen Artikel „Wärmetherapien bei Depressionen“ nachlesen kannst.
Pssst! Liest du gerne Romane mit Mental-Health-Bezug?
Dann könnte mein Buch „9 Grad“ etwas für dich sein!
So beschreibt der Lübbe-Verlag den Roman: „Neun Grad hat das Wasser, als Josie zum ersten Mal in den Fluss geht, um ihrer schwerkranken Freundin Rena einen Wunsch zu erfüllen. Vielleicht betäubt der Kälteschmerz ja auch die Angst, sie zu verlieren. Doch was Josie dann erlebt, übersteigt alles, was sie sich erhofft hat. Beim Eisbaden spürt sie sich zum ersten Mal selbst, erlebt ihren Körper, mit dem sie immer gehadert hat, ganz neu. Und noch etwas ist neu: ihre Beziehung zu Lee, den sie über Tinder kennengelernt hat. Doch Lee kämpft mit seinen eigenen Dämonen, ist depressiv. Was bedeutet das für ihre Liebe – und was machen Grenzerfahrungen mit einem? Elli Kolb erzählt es in ihrem bewegenden Roman.“
Das Buch ist Empfehlungstitel beim Lübbe-Verlag & wenn du mich und meine Arbeit unterstützen möchtest, kannst du es auf dem autorenfreundlichen Onlineshop von autorenwelt bestellen. Hier findest du weitere Informationen zu „9 Grad“.
Kalt duschen & die Effekte auf die Psyche: Wie solide ist die Forschung?
Erinnerst du dich an die Übersichtsarbeit, die ich am Anfang dieses Blogbeitrags erwähnt habe? Die, die sich 104 Studien zum Thema Kälteexposition und ihre Effekte auf die Gesundheit angeschaut hat?
Ihre Verfasser:innen bemerken in ihrem Artikel selbstkritisch, dass weitere Forschung zum Thema wünschenswert ist, um die Ergebnisse festigen zu können.
Denn die Studien, die zum Thema vorliegen, sind im Aufbau oft sehr verschieden – einige wurden an erfahrenen Winterschwimmer:innen durchgeführt, manche hatten nur wenige Proband:innen – und das Wasser hatte auch unterschiedliche Kältegrade. Das macht eine Vergleichbarkeit natürlich schwer. Und wie ich bereits am Anfang erwähnt habe: Es wurden hauptsächlich Studien mit einbezogen, bei denen die Proband:innen nicht duschten, sondern sich in kaltes Wasser begaben.
Die Forscher:innen schließen dennoch vorsichtig, dass regelmäßige Kälteexposition vermutlich einige positive Gesundheitseffekte mit sich bringen kann.
Bis die Forschung ein ganz genaues Bild zeichnen kann, bleibt einem also nur: ausprobieren – und dabei immer auf den eigenen Körper hören.
Quellen
- Esperland, Didrik et al. “Health effects of voluntary exposure to cold water – a continuing subject of debate.” International journal of circumpolar health vol. 81,1 (2022).
- Fischer, Florian: „Kaltes Wasser im Schwimmbad – viel besser als wir denken“ SWR (2022)
- Kelly, John et. al: „Improved mood following a single immersion in cold water“. Lifestyle Medicine (2022)
- Yankouskaya, Ala et al. “Short-Term Head-Out Whole-Body Cold-Water Immersion Facilitates Positive Affect and Increases Interaction between Large-Scale Brain Networks.” Biology vol. 12,2. (2023).
- Zimmermann, L et al. “The aspects of sex, age and nationality in winter swimming performance.” European review for medical and pharmacological sciences vol. 26,10 (2022).
- „Erhöhte Wassertemperaturen: Untersuchungen zu den Ursachen erhöhter Wassertemperaturen im Trinkwassernetz und Identifizierung von Gegenmaßnahmen (W 201904)“ Deutscher Verein des Gas- und Wasserfachs e.V.